Sagst Du auch manchmal zu dir selbst: „Ich muss noch dieses oder jenes an mir verändern, verbessern oder auflösen“? „Dass ich immer so verletzt reagiere, das muss ich noch irgendwie in den Griff bekommen.“ „Dass ich immer die falschen Männer kennenlerne, das muss ich endlich mal auflösen“. In Kommunikationstrainings lernen die Menschen, konstruktiv mit anderen zu kommunizieren. Doch was ist mit der Kommunikation mit dir selbst? Wie redest Du mit Dir?
In diesem Artikel möchte ich Dich für die Härte und Strenge sensibiliseren, die in solchen „ich muss“- Sätzen steckt und ich plädiere für einen weicheren, liebevolleren Umgang mit dir selbst: wichtige Schritte in Richtung wahrer Selbstliebe.

Wenn ich kritisiert werde, fange ich manchmal an, zu weinen, da muss ich echt noch an mir arbeiten!“ sagt Janina (Name geändert) in einem Gespräch. „Warum?“ frage ich. „Weil es mich nervt, ich kann mich dann nicht leiden, das ist doch peinlich, da nimmt mich ja keiner Ernst. Das geht doch so nicht. Ich muss das jetzt echt ändern“. Ich verstehe Janinas Wunsch sehr gut. Mit Kritik umzugehen, fällt vielen Menschen nicht leicht – inklusive mir. ;-).

Angenommen, eine Freundin von Dir würde genau das zu dir sagen, was würdest Du ihr entgegnen?“ frage ich Janina. „ Na, ich würde ihr sagen, dass das doch nicht so schlimm ist, dass das jedem Mal passiert und dass das doch lange nicht klar, ist, dass die Kritik berechtigt ist“.
Auch das fällt mir oft auf: viele Menschen gehen mit sich selbst viel strenger um, als sie es mit anderen tun würden. Sind mit anderen verständnisvoller, wohlwollender und freundlicher.

Ich muss mich da echt noch verändern.“

Wer sagt eigentlich, dass Du das musst? Und warum eigentlich?

Wenn Du magst, spüre diesem Satz mal etwas nach….. Wie fühlt es sich an , so zu denken?

Ich fühle dabei Härte und Strenge, die in mir eine Anspannung auslöst und ich fühle mich nicht mit mir verbunden. Es fühlt sich für mich so an, als wollte ich einen Teil von mir eliminieren und übergehen.

Das, was ist, darf nicht sein. Dieser Teil in mir soll bitte verschwinden, weil ich ihn nicht leiden kann, weil er nervt, wie ein Kind das gerade quengelt, weil es müde ist oder etwas braucht.

Die Wahrheit ist: dieser Teil gehört zu mir.

Janina hat angefangen, ihren inneren Monologen tiefer zuzuhören. Dabei hat sie herausgefunden, dass da noch weitere strenge Stimmen in ihr sind: „jetzt stell dich doch nicht so an, du Heulsuse“ „Du bist doch kein kleines Kind mehr“. Nach und nach wurde ihr klar, dass diese inneren Sätze stark in ihr wirken und sie lernte zu spüren, dass sie sich dadurch oft angespannt fühlt.

Versuche einmal, dir zu lauschen, wie Du mit dir selbst redest, wenn zum Beispiel etwas nicht so klappt, wie du es dir wünschst. Redest Du wohlwollend mit Dir oder tadelst Du Dich und machst dich innerlich sogar fertig?

Würdest Du so streng mit jemandem anderen reden? Oder hättest Du bei einem anderen Menschen mehr Verständnis? Ich wette, ja.

Wir Menschen haben offensichtlich die Tendenz dazu, ungeliebte innere Anteile (die nicht social media konform sind), die hässlichen, nervigen, schäbigen oder auch einfach nur die zarten und weichen Anteile wegzuschieben. Kein Wunder, denn die passen weder in die Instagram-Welt noch in die schicke Businesswelt und schon gar nicht in unsere Leistungsgesellschaft.

Und indem ich sage: „ich MUSS das noch auflösen“ sage ich gleichzeitig damit: „dieser Teil in mir ist nicht ok“. Und da es ein Teil meiner selbst ist, sage ich letztlich zu mir: „Ich bin nicht ok“. Sprich: Ich lehne einen Teil meiner selbst ab.

Ablehnung erzeugt Stress

Unser Körper-Psyche-System reagiert bei Ablehnung mit Stress. Allein ein abwertender Gedanke kann Stress auslösen: egal ob ich das in einer Beziehung zu einem anderen Menschen erlebe oder in der Beziehung zu mir selbst. Durch die Stressreaktion entsteht Anspannung, an die ich mich so sehr gewöhnen kann, dass ich sie gar nicht mehr bewusst als solche wahrnehme. Doch sie zeigt sich in meiner Erfahrung durch ein permanentes latentes Unwohlsein. Langanhaltender Stress (egal wodurch er erzeugt wird), kann übrigens sehr schädliche Auswirkungen auf den Organismus haben.

Hinzu kommt folgender Aspekt: das „ich muss“ löst das Problem nicht. Stell dir vor, jemand anderes sagt zu dir: „Hey, du musst jetzt echt mal abnehmen“ oder „du musst jetzt wirklich Deine Angst vorm Allein-Sein überwinden.“ Was löst das in dir aus? Ist das wirklich hilfreich? Fühlst Du dich verstanden? Hast Du dann echt Lust abzunehmen oder Deine Angst zu überwinden? Oder löst es sogar eher eine Gegenwehr aus?

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt hinzufügen:

Unser Gehirn funktioniert am wenigsten unter Druck und Stress. Das hast Du vielleicht in der Schule erfahren, als du vor der ganzen Klasse an der Tafel vorne eine Matheaufgabe lösen solltest. Wenn du nicht gerade zu den Mathespezialistinnen gehört hast, war das vermutlich eine sehr gravierende Erfahrung. Kann sein, dir sind nicht mal die einfachsten Dinge eingefallen. Schlimmstenfalls hast Du dich dann danach dafür auch noch selbst fertig gemacht.

Der Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther sagt, dass unser Gehirn vor allem und am besten unter den drei folgenden Voraussetzungen lernt und sich verändert: Ermutigung, Einladung und Inspiration. Sprich, es braucht eine sehr wohlwollende Haltung. Kinder brauchen das und du selbst brauchst es auch.

Was wäre, Du würdest Dir selbst mit viel mehr Verständnis und Wohlwollen begegnen?

Ich möchte Dich dafür sensibilisieren, Dir selbst zu zuhören und zu erlauschen, wie Du mit dir selbst redest. Die Stimmen deiner inneren Anteile wahrzunehmen. Wenn Du möchtest, dann erlaube einer guten Freundin oder einem Freund, dass sie/er dich darauf hinweisen darf, wenn sie das nächste mal einen solchen „ich muss mich verändern“- Satz hört oder einen anderen strengen, abwertenden Satz.

So kannst Du nach und nach deinen inneren Stimmen auf die Spur kommen und diesen dann auch begegnen. Da geht es gar nicht darum, sie auszulöschen, sondern eher darum eine Instanz in dir zu entwickeln, die in der Lage ist, dich mit allem, was Du bist, anzunehmen.

Wenn Du möchtest, dann probiere es aus:
Nimm diese generelle Haltung dir selbst gegenüber ein:
„Ich gebe zu jedem Zeitpunkt das bestmögliche“.

Jedes Mal wenn du dich dabei erwischst, dass Du streng mit dir bist, innerlich mit dir schimpfst, an dir ziehst und zerrst, dann gehe folgende Schritte durch:

  • halte inne und mache dir bewusst, dass es gerade so ist- dann frage dich: „welchen ungeliebten Anteil möchte ich gerade nicht da haben“ (die Zarte, die Weinerliche, Empfindsame , Schüchterne etc.)
  • sage dir innerlich oder auch laut: „ ok, ich weine gerade, aber ich liebe mich trotzdem“ oder „ok, ich habe einen Fehler gemacht, aber ich liebe mich trotzdem“
  • durch das „ich liebe mich trotzdem“ kommst du in Kontakt mit dir und verhinderst das Abrutschen in einen negativen Schuldmonolog. Gleichzeitig entwickelst Du dadurch eine Instanz in dir, die fähig ist, dich voll und ganz anzunehmen.

Spürst du die Entspannung?

Selbstliebe bedeutet, dich selbst mit allen Anteilen so anzunehmen, wie du bist.
Das klingt wie ein nettes Zitat auf Pinterest. Und es ist schneller über social media Kanäle geteilt, als wirklich getan und gefühlt.

Wenn Du es Dir zur Gewohnheit machst, die Strenge und Härte dir selbst gegenüber durch Wohlwollen, Güte, Nachsicht und Freundlichkeit zu ersetzen, kannst Du große Schritte in Richtung wahrer Selbstliebe und Selbstannahme tun. Und Du wirst im Laufe der Zeit feststellen, dass sich allein durch das Annehmen und den liebevolleren Umgang mit dir selbst, Entspannung und Veränderung wie von alleine in deinem Leben einstellen.


Veränderung kann da beginnen, wo Du Dich selbst annimmst mit allem, was ist.

Bitte sei lieb zu dir.

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